Rechtliches zu mündlichen Überlieferungen

Mose erläutert dem Volk Israel die Notwendigkeit, dem Mitmenschen seine Rechte zu gewähren.
Mose erläutert dem Volk Israel die Notwendigkeit, dem Mitmenschen seine Rechte zu gewähren.

Bei den Texten, die von ehemals edelfreien Familien mündlich gepflegt werden, handelt es sich um geistiges Eigentum, etwa wie ein Recht an einem Patent oder das Urheberrecht an einem Buch. Sie werden daher formal durch das Grundgesetz geschützt.

 

Das Recht, die Meinung frei zu äußern, gab es lange Zeit in Deutschland nicht. Hinter verschlossenen Türen konnte man bis zur Erfindung der Abhöranlagen über viele Dinge reden. Wollte man sie aber als Geschichtsbuch veröffentlichen, dann waren die Möglichkeiten begrenzt. Deshalb wurden Dinge, die man gern für die Nachwelt weitertradieren wollte, über die man aber nicht offen reden oder schreiben durfte, von den edelfreien Familien mündlich weitergegeben. Dies dürfte einer der Gründe sein, weshalb Personen mit mündlichen Überlieferungen diskriminiert wurden. In den mündlichen Texten befindet sich politisch brisantes Material, angefangen mit den Eroberungen durch Karl den Großen und sicher nicht zuende mit kritischen Anmerkungen zur Politik der Gegenwart. Hier einige Beispiele:

  • Wir wissen, wie etwa die Sachsen die Eroberungen durch die Frankenkönige erlebt haben und welche Einwände sie gegen die Missionspraxis der katholischen Kirche hatten.
  • Wir können anhand verschlüsselter Hinweise in einigen Geschichtswerken die Meinung der Opposition zu verschiedenen Entscheidungen der mittelalterlichen Könige erschließen. Dieser Arbeit sind Historiker bisher nur ungenügend nachgekommen. Insofern holen die mündlichen Texte eine längst überfällige Interpretationsarbeit nach.
  • Wir haben Informationen, wie man aus bestimmten geschichtlichen Quellen Informationen zu politischen Verbrechen gewinnt, über die bisher niemand geredet hat. Wußtest du zum Beispiel, daß die schwedischen Besatzungstruppen, die nach dem Dreißigjährigen Krieg laut Friedensvertrag im Herzogtum Bremen-Verden stationiert waren, noch 20 Jahre nach Friedensschluß die Frauen in den Dörfern vergewaltigt haben?

Das alles steht bisher in keinem Geschichtsbuch. Deshalb ist es wünschenswert, daß die mündlichen Texte aufgearbeitet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. In einem Staat, der sich auf sein Grundgesetz etwas einbildet und seinen Bürgern weismacht, er würde ihnen ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und freie wissenschaftliche Tätigkeit gewähren und schützen, sollte auch Raum für kritische Texte aus mündlicher Quelle sein.

 

Um sicherzustellen, daß die Texte, die als mündliche Überlieferungen ausgegeben werden, tatsächlich echt sind und nicht von einem Betrüger stammen, muß man nach einem Verfahren suchen, das den gewünschten Nachweis liefern kann. Im Sachsenspiegel des Eike von Repkow erfährt man, wie bis zum Mittelalter mündliche Verträge beurkundet wurden. Der Nachweis wird in zwei Richtungen geführt, in die zeitliche und die räumliche Richtung. Dies äußert sich in der Vorschrift, daß ein Urkundenzeuge für bestimmte Fälle seine Großeltern, das ist seine schöffenbarfreie Abstammung, nachweisen muß. Dies ist die zeitliche Richtung. Ferner werden Urkunden regelmäßig von mehreren Zeugen bestätigt. Das ist die räumliche Richtung. So entsteht ein Geflecht von Beziehungen, in dem die einzelnen Personen untereinander Gewährschaft ablegen, das ist, die Richtigkeit einer Aussage bestätigen.

 

Auf die gleiche Weise müßten auch heute die mündlichen Texte bestätigt werden, nämlich indem der Besitzer seine Abstammung von einer oder mehreren ehemals edelfreier Familien nachweist und außerdem andere Personen hinzuzieht, die ebenfalls mündliche Texte besitzen, ihre Abstammung von einer ehemals edelfreien Familie nachweisen können und bestätigen, daß die Texte des ersten echt sind und mit ihren übereinstimmen.

 

Es wäre gut, wenn sich hinsichtlich der rechtlichen Stellung von Personen mit mündlichen Überlieferungen das Gespräch mit den zuständigen Behörden herstellen ließe.